Ein gutes und willkommenes Miteinander muss immer von zwei Seiten getragen werden. Nicht immer lässt sich diese Brücke schlagen. Für Angehörige, die es gut mit ihren Liebsten meinen, ist das oft nur schwer nachzuvollziehen.
So erhielt ich die telefonische Anfrage einer Tochter, deren Vater in einem Seniorenwohnheim lebt. Ich war ihr von einer Mitarbeiterin empfohlen worden, denn ich besuche und betreue dort bereits
mehrere Bewohner.
Sie schilderte mir die Situation ihres Vaters, der sich seit dem Tode seiner Frau und dem darauf folgenden Umzug in diese Einrichtung höchst unglücklich fühlt. Eine ebenfalls ältere Freundin der
Familie könne ihn nicht mehr so häufig besuchen, da es ihr selbst immer schwerer falle. Diese Lücke solle durch meine Besuche gefüllt werden.
Mehr noch: Ihr Vater käme überhaupt nicht mit den Lebensumständen, den Tagesabläufen sowie den Mitbewohnern der Einrichtung klar. Er nehme an keinerlei Gemeinschaftsaktivitäten teil, ziehe sich
völlig zurück und neige zu Depression. Dieser „Teufelskreis“ wäre im Idealfall zu durchbrechen, indem er möglichst viele Aktivitäten und Ablenkungen außerhalb des Hauses erfährt. Da er zudem auf
den Rollator angewiesen ist, sei eine professionelle Begleitung, wie sie qualifizierte Senioren-Assistenten bieten, für sie die perfekte Lösung. Er wisse allerdings bisher nichts von ihren
Überlegungen.
Daraufhin entstand die Idee, sich für das persönliche Kennenlernen in einem nahegelegenen Café zu verabreden und die ungezwungene Atmosphäre fernab des Wohnhauses für ein Gespräch zu nutzen.
Diesen Vorschlag wolle sie ihm unterbreiten und sich dann wieder bei mir melden.
So geschah es auch. Jedoch erklärte mir die Tochter, dass das erste Treffen nun doch lieber in der privaten Sphäre seiner Wohnung stattfinden sollte. Ein Termin wurde gemacht.
Einen Tag vor dem geplanten Treffen erhielt ich erneut einen Anruf der Tochter: Es täte ihr außerordentlich leid, jedoch habe ihr Vater fürchterliche Bauchschmerzen und läge im Bett. Aus der
Verabredung am nächsten Tag könne leider nichts werden. Wann ich wieder Zeit hätte?
Ich riet ihr daraufhin jedoch ab, kurzfristig einen neuen Anlauf zu versuchen: Zu offensichtlich schien mir die Qual und innere Abwehr ihres Vaters, sich auf gut gemeinte Hilfe und Unterstützung
einzulassen. Mag sein, dass er sich eines Tages eines Besseren besinnt und von sich aus den ersten Schritt macht. So aber war es für den Moment leider die sprichwörtlich „vergebene Liebesmüh’“,
die wir zu akzeptieren hatten.